In einem Schreiben an die Bezirksbürgermeisterinnen und Bezirksbürgermeister von Berlin nimmt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (SenStadtUm) vom 27. Juli 2015 nochmal Stellung zur Problematik Fehlende Rettungswege stoppen den Wohnungsbau.
Wir zitieren das Schreiben.
Aufstellflächen im öffentlichen Straßenland für den Einsatz der Feuerwehr-Drehleiter als 2. Rettungsweg
Sehr geehrte(r) Frau/Herr Bezirksbürgermeister/in,
gemäß § 33 Bauordnung für Berlin wird bestimmt, dass für Nutzungseinheiten mit mindestens einem Aufenthaltsraum wie Wohnungen, Praxen oder selbständige Betriebsstätten in jedem Geschoss mindestens zwei voneinander unabhängige Rettungswege ins Freie vorhanden sein müssen. Sollten diese Nutzungseinheiten nicht zu ebener Erde liegen, muss der erste Rettungsweg über eine notwendige Treppe führen. Der zweite Rettungsweg kann eine weitere notwendige Treppe oder eine mit Rettungsgeräten der Feuerwehr erreichbare Stelle der Nutzungseinheit sein. Ein zweiter Rettungsweg ist nicht erforderlich, wenn die Rettung über einen sicher erreichbaren Treppenraum möglich ist, in den Feuer und Rauch nicht eindringen können (Sicherheitstreppenraum). Der Bauherr hat die Pflicht die Einhaltung dieser Bestimmungen nachzuweisen.
Die Berliner Feuerwehr hat darüber informiert, dass ihr regelmäßig Brandschutznachweise zur Stellungnahme vorgelegt werden, die den zweiten Rettungsweg über Drehleitern der Berliner Feuerwehr statt auf privaten Grundstücksflächen im öffentlichen Straßenland vorsehen. Hierzu hat die Berliner Feuerwehr in einem Merkblatt (Stand 10/2014), das auch auf ihrer eigenen Homepage veröffentlicht wurde, die Voraussetzungen für den Einsatz ihrer Drehleitern im öffentlichen Straßenland definiert. Danach benötigt sie u.a. eine Aufstellfläche von 11 m Länge und 5,50 m Breite. In dieser Breite ist ein Sicherheitsabstand von 0,5 m zu parkenden Fahrzeugen enthalten. Sollten die im Merkblatt genannten Voraussetzungen nicht erfüllt werden, lehnt die Berliner Feuerwehr in ihrer Stellungnahme an die Prüfingenieurinnen und Prüfingenieure für Brandschutz den Einsatz ihrer Drehleitern als zweiten Rettungsweg im öffentlichen Straßenland ab. Da die Anforderungen an den Brandschutz somit nicht erfüllt sind, muss der Bauherr eine Umplanung vornehmen, da andernfalls die Bauausführung durch die Bauaufsichtsbehörde zu untersagen wäre, wie dies bei einigen Bauvorhaben der letzten Monate der Fall war. Aus diesem Grund ist es erforderlich, dass der Bauherr bzw. der für das zu erstellende Brandschutzkonzept beauftragte Planer rechtzeitig prüft, ob die bestehende Straßenlandaufteilung den Einsatz der Drehleiter als zweiten Rettungsweg im öffentlichen Straßenland überhaupt zulässt. Darauf sollten die Bauaufsichtsbehörden die Beteiligten an Baugenehmigungsverfahren mit geeigneten Mitteln hinweisen.
Sollte der Fall vorliegen, dass aufgrund parkender Fahrzeuge kein ausreichender Aufstellraum für den Einsatz von Drehleitern der Feuerwehr im öffentlichen Straßenland zur Verfügung steht, soll im begründeten Einzelfall, wenn nachgewiesen wird, dass die Herstellung des zweiten Rettungsweges nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand außerhalb des öffentlichen Straßenraums sichergestellt werden kann, auf Antrag des Bauherrn zur Gewährleistung des zweiten Rettungsweges durch die Straßenämter gemeinsam mit den bezirklichen Straßenverkehrsbehörden eine Änderung der Parkordnung geprüft werden. Hierbei handelt es sich um eine Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen, bei der die Belange der Verkehrssicherheit in ausreichendem Maße, aber auch die Belange des preiswerten Bauens, zu berücksichtigen sind, da eine entsprechende Parkanordnung zur Verschmälerung der Fahrgassenbreite und somit zu einer Reduzierung der Fahrgeschwindigkeiten beitragen kann. Da dies in der Regel Wohnstraßen in Tempo 30- Zonen betrifft, und nach IX. zu § 45 Abs. 1c (Tempo 30-Zonen) der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) zur Verkehrsberuhigung in Wohngebieten in Tempo 30-Zonen die dem fließenden Verkehr zur Verfügung stehende Fahrbahnbreite erforderlichenfalls durch Markierung von Senkrecht- oder Schrägparkständen, wo nötig auch durch Sperrflächen (Zeichen 298) am Fahrbahnrand, eingeengt werden soll, wird darauf verwiesen, dass dort auch ausgeführt wird: “Der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (wie Rettungswesen, Katastrophenschutz, Feuerwehr) sowie der Verkehrssicherheit ist vorrangig Rechnung zu tragen“.
Im Hinblick auf die wohnungsbaupolitische Zielstellung, zeitnah mehr Wohnraum im Land Berlin zu schaffen, wird diese Vorgehensweise als pragmatischer Lösungsweg zur Vermeidung von unverhältnismäßigen zusätzlichen Kosten für einen zweiten baulichen Rettungsweg oder für zusätzliche Anlagentechnik zur Ausbildung eines Sicherheitstreppenraumes angesehen, wenn die notwendigen Feuerwehr-Aufstellflächen auf dem eigenen Grundstück nicht zur Verfügung gestellt werden können. Diese Lösung soll insbesondere bei Bauvorhaben wie Lückenschließungen, bei denen eine größere Anzahl von preisgünstigen Wohnungen realisiert werden sollen, angewandt werden, da hier das öffentliche Interesse in einem stärkeren Maße gegeben ist. Dagegen sollte der Wegfall von öffentlichen Parkständen bei Vorhaben mit einem Dachraumausbau, aufgrund der geringen Anzahl preisgünstiger Wohnungen, nur in Ausnahmefällen erwogen werden.
Sofern in Straßen mit Straßenbahnen von der Feuerwehr Beeinträchtigungen aufgrund der Fahrdrähte vorgebracht werden, so greifen diese nicht durch. Vielmehr wird durch betrieblich-organisatorische Maßnahmen der BVG sichergestellt, dass keine Beeinträchtigungen des Rettungseinsatzes eintreten. BVG und Feuerwehr sind u.a. hierzu mittels einer direkten Telefonleitung (Standleitung „rotes Telefon“) verbunden. Die Leitstelle der Feuerwehr fordert im Alarmierungsfall – optimaler Weise noch während der eigenen Anfahrt – über diese Verbindung bei der Leitstelle Straßenbahn der BVG die Freischaltung der entsprechenden Stromversorgungsanlagen an. Das Abschalten ist technisch innerhalb einer Minute durch die Netzleitstelle zu realisieren. Parallel entsendet die BVG ihre Unfallhilfswagen (gemäß § 52 Abs. 3 Nr.3 StVZO mit Kennleuchten für blaues Blinklicht (Rundumlicht) ausgerüstete Kraftfahrzeuge) unter Einsatz von Wegerechten, welche zusätzlich entsprechende Erdungsgeräte und Werkzeuge auf dem Fahrzeug führen. Die Unfallhilfswagen treffen dabei i.d.R. zeitgleich mit den Rettungskräften vor Ort ein, bestätigen dem Einsatzleiter der Feuerwehr vor Ort schriftlich die Spannungsfreiheit der Fahrleitung und stehen für weitere Hilfstätigkeiten zur Verfügung. Insofern stellen Straßenbahnbetriebsanlagen keine Hindernisse bezüglich der Rettung mittels Drehleitern dar. Im Übrigen sind die Bahnbetriebsanlagen planfestgestellt; die Beteiligung der Berliner Feuerwehr in planrechtlichen Verfahren erfolgt stets. Bedenken sind von der Feuerwehr in der Vergangenheit gegen Fahrleitungsanlagen nicht vorgetragen worden.
Abschließend wird darauf hingewiesen, dass beim Neubau von öffentlichen Straßen und bei Änderungen bestehender straßenräumlicher Situationen, wie z.B. durch eine Neuordnung des ruhenden Verkehrs oder dem Einbau von Fahrradbügeln auf der Fahrbahn, die Belange der Feuerwehr im Interesse der öffentlichen Sicherheit zu beachten sind.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Geisel