von Peter Hofmann
Allgemein
Brände sind in Deutschland nicht selten. Entsprechend der Welt – Feuerwehrstatistik [1] ereignen sich 190.190 Brände pro Jahr. Dies entspricht ca. einem Brand alle 3 Minuten.
Der wirtschaftliche Schaden durch Brände beträgt in Deutschland nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft ca. 3 Mrd. € pro Jahr.
Nach einem Großschaden (> 1 Mio. €) schaffen nur 23% der betroffenen Betriebe wieder einen vollen Marktanschluss. Je nach Lage der Betriebe, finden viele Mitarbeiter danach keine neuen Arbeitsplätze.
Daher sind bei Bränden nicht nur gesellschaftliche Grundbedürfnisse betroffen, es wird auch die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit geschädigt und Arbeitsplätze gefährdet.
Warum dieses Thema
Von der EU wird die Sicherheit im Brandschutzes für Gebäude und deren Nutzern durch Anforderungen an Bauprodukte und Anlagen definiert. Für die Qualifikation der damit beschäftigten Planer, Anwender und Prüfer werden keine Anforderungen gestellt.
Dies ist Aufgabe der Mitgliedsstaaten und in Deutschland „leider“ der 16 Bundesländer. Daher gibt es zwischen den Bundesländern Unterschiede in den Bauvorschriften und in den Anforderungen und Anerkennungen der in diesem Bereich tätigen Fachleute.
Dies ist absolut nicht mehr zeitgemäß. In der EU müssen Liefer- und Dienstleistungsaufträge ab 207.000 Euro und Bauaufträge ab 5.186.000 Euro entsprechend den Vergabe- und Vertragsordnungen EU-weit ausgeschrieben werden. Dies bedeutet, das Großprojekte von Architekten aus der EU geplant, die Bauausführung durch Baufirmen aus der EU mit Bauprodukten aus der EU gebaut werden können. Nur in jedem Bundesland scheint es anders zu brennen.
Bestandteile des vorbeugenden Brandschutzes
Diese ergeben sich aus einer Vielzahl von Bauvorschriften, Richtlinien, Normen, Empfehlungen und Leitfäden. Nach deren Analyse und Strukturierung ergibt sich eine Gesamtstruktur mit 6 Hauptgruppen, 40 Untergruppen und ca. 230 Einzelpunkten.
Untergruppen:
Diese Gesamtstruktur wird für einzelne Gebäude meist nur in Teilen anzuwenden sein. Sie bietet aber auch die Möglichkeit für Vergleiche, Analysen und Auswertungen, wie z.B. Vollständigkeit, Mängelverteilung u.a.
Bei der Analyse von Vorgaben zu den Inhalten und Struktur von Planungen und Prüfungen im vorbeugenden Brandschutz ergaben sich gegenüber der Gesamtstruktur folgende interessante Ergebnisse.
Der Anteil der Einzelthemen des EU-Grundlagendokuments Nr. 2 mit 50 Seiten beträgt 58% und der von den gebräuchlichsten 12 Musterbauvorschriften mit 252 Seiten 70%. Andere Vorgaben wie der Brandschutzleitfaden des Bundes, die vfdb Richtlinie 01/01, die VwV Brandschutzprüfung Ba-Wü und die BauPrüfVO §9 BrandschutzkonzeptNRW liegen unter 50%.
Bei der Analyse von 12 Mustervorschriften mit 1.041 Paragraphen und Absätzenwurde ein Anteil der brandschutzrelevanten Anforderungen von 75 % ermittelt. Damit stellt der Brandschutz eindeutig eine Rechtsanwendung dar.
Tabelle: Analyse Anteil von Brandschutzanforderungen in 12 Mustervorschriften
Vorschrift |
Anzahl DIN A4 Seiten |
Anzahl Paragraphen ohne Absätze |
Anzahl Paragraphen mit Absätzen |
Anzahl Paragraphen und Absätzen |
Anzahl mit Brandschutz- Anforderungen |
Anteil in % |
BAU- UND SONDERBAUVORSCHRIFTEN | ||||||
MBO | 74 | 17 | 288 | 305 | 167 | 55 |
MBeVO | 10 | 6 | 25 | 31 | 26 | 84 |
MVkVO | 17 | 15 | 73 | 88 | 85 | 97 |
MVStättV | 40 | 5 | 202 | 207 | 156 | 75 |
MGarVO | 9 | 9 | 73 | 82 | 56 | 68 |
MIndBauR* | 37 | 21 | 60 | 81 | 81 | 100 |
MSchulBauR* | 3 | 17 | 0 | 17 | 17 | 100 |
MHHR* | 11 | 11 | 70 | 81 | 80 | 99 |
TECHNISCHE VORSCHRIFTEN | ||||||
MLAR* | 10 | 5 | 29 | 34 | 34 | 100 |
MLüAR* | 25 | 16 | 18 | 34 | 32 | 94 |
MEltBauVO | 4 | 4 | 15 | 19 | 13 | 68 |
MFeuV | 12 | 2 | 60 | 62 | 31 | 50 |
Summen | 252 | 128 | 913 | 1.041 | 778 | 75 |
* Vorschrift besitzt keine Paragraphen sondern Nummern. Daher werden die ersten Unternummern den Paragraphen und die zweiten Unternummern den Absätzen gleich gestellt.
Quelle: Eigene Erstellung
Mängel bei Brandschutzplanungen
Wissenschaftliche Arbeiten der letzten Jahre belegen eindrucksvoll die Mangelhaftigkeit des Brandschutzes in Bauplanungen.
„Mangelursachen und Erkenntnisse bei Brandschutzplanungen: [2]
- Mangelhafte Qualifikation der Entwurfsverfasser für den vorbeugenden Brandschutz
- Die meisten Mängel entstehen bei Leitungsführungen durch raumabschließende Bauteile, da sie nicht detailliert geplant werden
- Eine Qualitätssicherung durch eine systematische und durchgängige Prüfung findet beim Brandschutz nur selten statt
- Der Entwurfsverfasser als Koordinator und Steuerer des Planungsprozesses muss den Brandschutz als eigenständige Fachplanungsdisziplin akzeptieren
- Der Brandschutz beinhaltet die meisten Schnittstellen im Planungsprozess
- Brandschutz muss als Qualitätsmerkmal einer Immobilie geschärft werden
Die Bewertung potentieller Mangelursachen der Brandschutzplanung im Rahmen einer Expertenumfrage ergab folgendes Ergebnis:
Diagramm Mangelursachen Planung
Abbildung: Potentielle Mangelursachen mit Rückfluss auf die Planung [3]
„Qualität von Brandschutznachweisen [4]
- 15% sind ohne Einschränkungen genehmigungsfähig und 15% nicht genehmigungsfähig
- 70% mit Mängeln sind nur mit teilweise erheblichen Auflagen genehmigungsfähig
- Schwerpunkte sind die wichtigen Bereiche wie formale Fehler und Flucht- und Rettungswege mit je ca. 60%
- Bei dieser Größenordnung ist von fehlendem Grundverständnis und einer Ungeeignetheit der Ersteller auszugehen
- Brandschutz wird bei Bauingenieuren mit 2 bis 4 Semesterwochenstunden gelehrt, bei Architekten nicht
- Ingenieurmäßige Denkweisen und eine risikoabhängige Bewertung eines möglichen Brandereignisses bleiben weitgehend auf der Strecke
Abbildung: Fehlerbereiche der Brandschutznachweise [5]
Auswirkung von Mängeln
Erkannte Mängel führen zur Erhöhung der Baukosten und zu Bauzeitverlängerungen. Je nach Mangel und dessen Risiko sind bauliche Änderungen oder technische Kompensationsmaßnahmen erforderlich. Nicht erkannte Mängel führen zu Sicherheitsrisiken für das Gebäude und deren zukünftigen Nutzern, die Folgen sind nicht abschätzbar. Je später ein Mangel erkannt wird, umso aufwendiger und teurer wird dessen Beseitigung.
Die hohe Zahl von Mängeln ist auch darin begründet, dass es keine grundsätzliche Forderung der Behörden nach qualifizierten Fachleuten des vorbeugenden Brandschutzes in der Planung gibt. Wegen der „angeblich“ hohen Kosten verzichtet man darauf. Die Kosten für die Behebung der Mängel und Bauzeitverlängerungen betragen jedoch immer ein Vielfaches der Kosten für qualifizierte Fachleute.
Rechtliche Bedeutung des vorbeugenden Brandschutzes
Diese wird von den meisten am Bau Beteiligten erheblich unterschätzt. Mit rechtlichen Konsequenzen muss jeder für Mängel Verantwortliche rechnen. Dies gilt besonders, wenn Personen zu Schaden kommen. In diesem Fall gilt eine 30 jährige Nachhaftung.
Strafrechtliche Konsequenzen haben Mängel immer, wenn sie zu Körperverletzung oder Tötung aufgrund einer Fahrlässigkeit führen. Mängel sind Verstöße gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik und die Bauvorschriften und stellen damit eine Fahrlässigkeit dar.
Mängel stellen aber auch grundsätzlich eine Vertragsverletzung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch dar, da eine Planung mangelfrei und dauerhaft genehmigungsfähig sein muss.
Urteile zu Mängeln im Brandschutz bestehen von vielen Gerichten aller Instanzen. Die Begriffe Grobfahrlässigkeit und Vorsatz sind darin nicht selten enthalten.
Entsprechend der HOAI zählt der in den Bauvorschriften enthaltene Brandschutz zu den Grundleistungen des Entwurfsverfassers. Entsprechend dem Umfang von 75% der Bauvorschriften ist er hierzu jedoch nicht ausgebildet. Wenn er die Planung ohne einen qualifizierten Fachmann für den vorbeugenden Brandschutz erstellt, ist diese mangelhaft. Damit begibt er sich in die erhebliche Gefahr der Fahrlässigkeit und ist dafür haftbar.
Daher kann man nur jedem Entwurfsverfasser raten, dass er den Bauherrn zur Beauftragung eines qualifizierten Fachplaners für den vorbeugenden Brandschutz überzeugt. Um die Planung nicht zu ändern ist dies schon in der Entwurfsphase erforderlich.
Qualifikation der Fachleute in Deutschland
Die Aufgabe des vorbeugenden Brandschutzes ist der Schutz von Gebäuden und deren Nutzern. Je nach Gebäude geht es dabei um hunderte oder tausende Personen.
Für die Erstellung von Brandschutzplanungen für Standartbauten oder geregelte Sonderbauten ohne Abweichungen ist die Aus- und Fortbildung zum qualifizierten Fachplaner sicher ausreichend.
Bei ungeregelten Sonderbauten oder geregelten Bauten, bei denen kritische Situationen erkennbar sind, ist der Verantwortung und Haftung entsprechend eine qualifizierende Ingenieurausbildung und Zertifizierung erforderlich. Dies gilt besonders für folgende Gebäude:
- mit erheblich Abweichungen (z.B. Rettungswege)
- mit hohen Personenzahlen (z.B. Versammlungsstätten)
- mit Personen, welche sich im Brandfall nicht selbst retten können
- mit Personen, deren Rettung kritisch oder sehr aufwendig ist
- Gebäude mit hohem Technisierungsgrad
- historische Gebäude mit umfangreichen Abweichungen bei Bauteilen und Rettungswegen
Für verantwortliche Behördenmitarbeiter, Sachverständige, Prüfsachverständige, staatlich anerkannte Sachverständige und öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für den Brandschutz ist kein Studium im vorbeugenden Brandschutz gefordert, obwohl es diese gibt.
Im Vergleich dazu sind für Verwaltungstätigkeiten, ohne eine nur annährend vergleichbare Verantwortung und Haftung, viel umfänglichere Ausbildungen oder ein Verwaltungsstudium erforderlich.
Daher muss man das Bewusstsein der zuständigen Länderministerien für ihre Verantwortung im vorbeugenden Brandschutz in Frage stellen.Entweder nimmt man dort diesen Bereich nicht ernst oder kennt die tatsächliche Bedeutung des vorbeugenden Brandschutzes nicht. Hier sind ein ministerielles Umdenken und eine Reform dringendst notwendig.
Ebenso ist die Qualifizierung und Zertifizierung besonders durch die Ingenieurkammern und Berufsverbände zu forcieren.
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Die Inhalte dieses Beitrages wurden im Rahmen meiner Dissertation an der Technischen Universität Zvolen in der Slowakei im Studienprogramm „Brandschutz und Sicherheit“ / Studienfach „Schutz von Personen und Eigentum“ 2010 – 2014 erarbeitet.
Titel der Dissertation: „Forderung nach Ingenieuren des vorbeugenden Brandschutzes zum Schutz von Gebäuden und deren Nutzern“ / Untertitel: „Qualifikationsanforderungen an verantwortliche Fachleute des vorbeugenden Brandschutzes“
Verfasser
Dipl.-Ing. (FH)Peter Hofmann,M. Eng.
Master of Engineering (Vorbeugender Brandschutz)
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Fachlisteneinträge Ingenieurkammer BW:
– Beratender Ingenieur BW-0981
– Fachplaner für Brandschutz
– Sachverständiger für Brandschutz
– Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator
Geprüfter Fachplaner (EIPOS Dresden) für :
– Vorbeugenden Brandschutz
– Technische Brandschutzanlagen
Geprüfter Sachverständiger (EIPOS / IHK BZ Dresden) für :
– Vorbeugenden Brandschutz
– Brandschutztechnische Bau- und Objektüberwachung
– Gebäudetechnischen Brandschutz
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Internet http://www.hofmann-engineering.eu (z.Z in Überarbeitung)
[1] Internationale Vereinigung des Feuerwehr- und Rettungsdienstes CTIF und Center of Fire Statistics, Bericht Nr. 17 von 2012
[2] Pallmer, L.: Dissertation Ein Prozessmodell zur Qualitätsverbesserung der Brandschutzplanung im Lebenszyklus einer Immobilie 2011
[3] Pallmer, L.: Dissertation Ein Prozessmodell zur Qualitätsverbesserung der Brandschutzplanung im Lebenszyklus einer Immobilie 2011
[4] FeuerTrutz Magazin, Ausgabe Mai 2013, Seiten 6-11, Bericht über Bachelorthese von Heck G. und Masterthese von Kutz S. 2012
[5] FeuerTrutz Magazin, Ausgabe Mai 2013, Seiten 6-11, Bericht über Bachelorthese von Heck G. und Masterthese von Kutz S. 2012