Die Diskussion zwischen Architekten, Bauherrn, Prüfingenieuren und Fachplanern für den Brandschutz und der Berliner Feuerwehr über fehlende Aufstellflächen für die Rettungsgeräte der Feuerwehr war Thema bei der Anhörung im Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr des Berliner Abgeordnetenhauses zur Novellierung der Bauordnung Berlin (BauOBln) am 20.04.2016.

Brandassessor Dipl.-Ing. Helmuth Bachmann, Prüfingenieur für Brandschutz, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger in Berlin, trug dort Lösungsansätze vor, die neue Wege bei der Rettung von Personen in Wohnungsbauten aufzeigen. Parallel dazu hat er eine schriftliche Ausarbeitung zu dem Thema erstellt.

Stellungnahme Hr. Bachmann Brandschutz

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin vom Land Berlin anerkannter Prüfingenieur für Brandschutz. In der schriftlichen Ausarbeitung habe ich meinem Namen die Bezeichnung Brandassessor vorangestellt, um zu verdeutlichen, dass ich die Befähigungen für den höheren feuerwehrtechnischen Dienst besitze und von daher über nicht unerhebliche Kenntnisse im abwehrenden Brandschutz verfüge.

Im letzten Jahr hat der Hinweis der Berliner Feuerwehr, dass sie vom öffentlichen Straßenland nur dann eine Rettung über die Drehleiter vornehmen kann, wenn die Aufstellfläche für die Drehleiter auf der Straße auch unter Berücksichtigung rechtmäßig parkender Fahrzeuge eine Mindestbreite von 5,50 Meter besitzt, Aufmerksamkeit erregt. Dadurch sind Lückenbebauungen im Innenstadtbereich erschwert und Dachraumausbauten teilweise unmöglich geworden. Ergänzend sei anzumerken, dass die Berliner Feuerwehr den nicht unerheblichen Flächenbedarf der Drehleiter beim Einbiegen in Feuerwehrzufahrten zur Erreichung der auf privatem Grund liegenden Aufstellflächen noch nicht ausreichend thematisiert hat. Das wird weitere Schwierigkeiten mit sich bringen.

Es ist der Eindruck entstanden, dass die Feuerwehr durch diese neuen Anforderungen den erforderlichen Neubau von Wohnungen behindert. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt hat jedoch in der Antwort auf die schriftliche Anfrage des Abgeordneten Andreas Otto am 9. April 2015, Drucksache 17/15848, richtigerweise ausgeführt, dass die Berliner Feuerwehr nur die Rechtslage beschreibt. Die Rechtslage so zu ändern, dass – natürlich ohne unzulässigen Verlust an Sicherheit – ein Bauen an den genannten Stellen wieder möglich ist, ist die Aufgabe des Parlaments, und deshalb trage ich hier vor.

Am 13. April 2016, das heißt, vor einer Woche, hat die Berliner Feuerwehr den Jahresbericht 2015 veröffentlicht. In diesem Jahresbericht beschreibt die Berliner Feuerwehr auch herausragende Einstätze. In keinem der dort genannten Einsätze hat die Berliner Feuerwehr eine Rettung über die Drehleiter durchgeführt. In einem Fall wurden die tragbaren Leitern zur Rettung eingesetzt, und in fünf Fällen kam die Fluchthaube erfolgreich zum Einsatz. Die Fluchthaube ist ein seit Jahren zur Verfügung stehendes Hilfsmittel, mit dem Personen für eine gewisse Zeit – 15 Minuten – vor dem Einatmen giftiger Stoffe geschützt sind, weil diese aus der Atemluft herausgefiltert werden. Voraussetzung ist, dass die Umgebungsluft ausreichend viel Sauerstoff enthält. Wenn Sie die im Internet zeitnah veröffentlichten Einsatzberichte der Berliner Feuerwehr studieren, dann erkennen Sie, dass die Fluchthaube und der mobile Drucklüfter das Rettungsmittel der Wahl sind, wenn die baulichen Voraussetzungen gegeben sind. Dieses Hilfsmittel hat bisher jedoch nicht Eingang in die baurechtlichen Vorschriften gefunden. Wenn ich Wohnungen, in denen der zweite Rettungsweg über die Leitern der Feuerwehr führt, freigebe, dann ist die Leiter der Feuerwehr noch nicht vor Ort. Diese Leiter der Feuerwehr ist lediglich ein Hilfsmittel, das die Feuerwehr mitbringt und für dessen Einsatz der Bauherr die notwendigen Voraussetzungen schafft. Es kann durch ein anderes Hilfsmittel ersetzt werden, wenn der Bauherr die notwendigen Voraussetzungen schafft. Vom Prinzip erfolgt dann die Rettung durch die Feuerwehr nicht mehr von außen über das Rettungsgerät Leiter, sondern von innen über einen besonders gebauten Treppenraum mit dem Rettungsgerät Fluchthaube und gegebenenfalls unter Einsatz eines zusätzlichen Drucklüfters.

Als Feuerwehr eines Stadtstaates gewährleistet die Berliner Feuerwehr, dass die am Einsatzort eintreffenden Feuerwehrleute gesundheitlich zur Nutzung von Atemschutzgeräten und damit für den Inneneinsatz geeignet sind. Die folgende Lösung ist daher berlinspezifisch und kann möglicherweise nicht auf Flächenstaaten übertragen werden. Das mag der Grund sein, warum dieser Treppenraum nicht im Entwurf der Senatsverwaltung enthalten ist, denn für diese ist Mustertreue ein hohes Gut.

Die zur Einführung dieses Treppenraums notwendigen Änderungen der Bauordnung habe ich in der schriftlichen Ausarbeitung angegeben und will sie aus Zeitgründen nicht wiederholen. Diese neue Definition eines Treppenraums, in das Feuer nicht eindringen kann, hilft bei Neubauten. Bei Dachraumausbauten bestehender Gebäude wird man im Regelfall nicht fordern können, alle Treppenraumtüren und die Treppe auszutauschen, da bei rechtmäßig bestehenden Gebäuden der Artikel 14 des Grundgesetzes beachtet werden muss. In der aktuellen Bauordnung ist der Maßstab für das Eingreifen der Bauaufsicht bei bestehenden Gebäuden der § 85 Abs. 2 Satz 1 der Bauordnung Berlin, das heißt, die Vermeidung der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Dieser Maßstab entspricht den allgemeinen Anforderungen des § 3 Abs. 1 der Bauordnung Berlin und den zu stellenden Anforderungen an Sonderbauten nach § 52. Alles dasselbe!

Der Entwurf der neuen Bauordnung differenziert stärker. Nach dem zukünftigen § 81 Abs. 1 Satz 4 der Bauordnung Berlin wird das Eingriffsrecht im Bestand auf das Einschreiten bei einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung begrenzt. Dies entspricht auch der Verwaltungspraxis. Es ist zu überlegen, noch stärker deutlich zu machen, dass es bei Neubauten nicht darum geht, eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu vermeiden, sondern erhebliche Nachteile abzuwenden. Das kann dadurch geschehen, dass der Satz 1 des zukünftigen § 51 der Bauordnung Berlin lautet:

An Sonderbauten können zur Vermeidung erheblicher Nachteile besondere Anforderungen gestellt werden.

Die Auswirkungen dieser beiden Änderungen habe ich in der schriftlichen Ausarbeitung geschildert, möchte sie aus Zeitgründen jedoch nur dann noch einmal vortragen, wenn dies ausdrücklich gewünscht wird. – Schönen Dank!

(…)

Ich bin gebeten worden, noch mal kurz zu dem Personalaufwand bei der Berliner Feuerwehr beim Einsatz von Rettungsgeräten Stellung zu nehmen. Die Bauordnung spricht immer von dem ersten und dem zweiten Rettungsweg. Bei Normalbauten, also Wohngebäuden, ich verwende auch den Begriff „Wohngebäude“ dabei, wird der zweite Rettungsweg erst hergestellt, wenn die Feuerwehr vor Ort ist. Bis 2005 kamen dort drei verschiedene Leitern zum Einsatz. Eine Steckleiter bis 8 Meter Höhe, eine Schiebleiter bis 12,50 Meter und eine Drehleiter bis 22 Meter. Seit 2005 gibt es in der Bauordnung nicht mehr die Zulässigkeit des Einsatzes der Schiebleiter bis 12,50 Meter. Die Berliner Feuerwehr führt sie aber immer noch mit. Und wenn jetzt Bauherren und Architekten kommen und sagen: Ihr bringt doch die Leiter mit, warum können wir unser Gebäude nicht so planen, dass diese Leiter eingesetzt werden kann? –, dann sagt für diesen Fall die Feuerwehr: Dafür brauche ich vier Personen, um diese Feuerwehrleiter aufzustellen, deshalb will ich diese Leiter nicht mehr. – Das trifft auf die dreiteilige Schiebleiter zu.

Mein Vorschlag ist aber ein ganz anderer: Ich erwarte eigentlich, dass man darüber nachdenkt, ob heutzutage die Leiter, die die Feuerwehr mitbringt, das einzige Hilfsmittel ist, das sie einsetzen kann, um Personen im Brandfall aus dem Gebäude herauszubekommen, wenn sie sowieso in vielen Fällen eine Fluchthaube einsetzt. Wir haben heute am meisten über barrierefreies Bauen gesprochen, also über Personen, die schon Schwierigkeiten haben, sich in der Umwelt sportlich zu bewegen. Auch für diesen Personenkreis ist es aus meiner Sicht nicht unbedingt positiv, über eine schmale, schwankende, im Wind stehende Leiter ins Freie gebracht zu werden. Auch für diesen Personenkreis wäre es außerordentlich hilfreich, wenn der Treppenraum so gebaut wird, dass von vornherein die Feuerwehr die Fluchthauben einsetzt, die sie sowieso einsetzt. Daher sollte man auch unter diesem Gesichtspunkt über eine solche Veränderung der baurechtlichen Vorschriften nachdenken.

Zur Frage Hochhaus: Die Hochhausgrenze ist im Augenblick an die Leitern der Feuerwehr gebunden. Die Feuerwehrleitern kommen nur bis 23 Meter Brüstungshöhe. Daher kann man das theoretisch nicht ausweiten. Man könnte möglicherweise darüber nachdenken, ob ein solcher Treppenraum vielleicht auch bis 24 oder 25 Meter Höhe gehen könnte. Das hat aber noch eine andere Auswirkung. Die Erfahrung der Feuerwehr sagt: Wenn zu Fuß, also über die Treppe, ein größerer Höhenunterschied als 22 Meter vom Feuerwehrmann in seiner Montur und mit Atemschutzgerät zurückgelegt werden muss, dann braucht er oben eine Erholungspause. Deshalb sagt die Feuerwehr auch, Gebäude über 22 Meter können wir eigentlich nicht bauen, weil die Feuerwehr für ihre Tätigkeit den Feuerwehraufzug braucht. Das wäre eine Diskussion, die können Sie nicht mit mir führen, die müssen Sie mit der Feuerwehr führen.

Foto: Sky Deutschland Fernsehen GmbH & Co. KG

 

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