Ein „Dauerbrenner“ der Brandschutz-Diskussion

Die Rettung von Menschen – insbesondere bei Bränden – ist Aufgabe der Feuerwehr. Der kommt sie auch tagtäglich mit großem Erfolg nach. In vielen Fällen sind ihr diese lebensrettenden Einsätze deutlich erschwert: In Berlin betrifft dies ca. 400 000 Wohnungen (geschätzt 1/5 der Wohnungen in Berlin) in oberen Geschossen oder Hinterhäusern, die über keine zweiten Rettungswege verfügen, die baurechtlich eigentlich erforderlich sind. Daran „schuld“ sind meist enge (Wohn-)Straßen, parkende Fahrzeuge oder große Straßenbäume.

Die Diskussion hatte sich bereits 2016 zugespitzt, da zahlreiche Bauanträge insbesondere bei beabsichtigten Dachgeschossausbauten aus Brandschutzgründen versagt werden mussten. Inzwischen hat der Berliner Senat eine Erleichterung zur Herstellung von sog. „Sicherheitstreppenräumen“ (siehe Zusatz-Info 1) in eine neu eingeführte Verwaltungsvorschrift[1] aufgenommen. Diese Lösung basiert auf zusätzlichem Flächenverbrauch für Schleusen und lässt technische Maßnahmen außen vor, welche ebenso die Rettung von Menschen über vorhandene Treppenhäuser erleichtern können. Zudem ist sie nur in Neubauten umsetzbar. Tausende Bewohner von Berliner Altbauten sind davon ausgeschlossen.

Aufstellflächen für die Feuerwehr

Richtschnur für die Herstellung von Aufstell- bzw. Bewegungsflächen für die Feuerwehr ist eine Richtlinie (Muster-Richtlinien über Flächen für die Feuerwehr – Fassung Februar 2007), die historisch aus einer Zeit stammt, als die verkehrsgerechte, durchgrünte und aufgelockerte Stadt das Modell für modernen Städtebau war, den 50er und 60er Jahren.

Dieses Modell hat ausgedient. Die Bewohner der Städte schätzen eher die kompakten und hoch verdichteten Viertel. Der Abriss von Altbauten zur Auflockerung des Stadtkerns ist out, die Nachverdichtung durch Baulückenschließung und Dachaufstockungen ist in. Moderner Städtebau und historische Aufstellflächen, das passt nicht zusammen. Wollen wir auf dem Weg des Erhalts und der Nachverdichtung der Städte vorankommen, müssen hier Lösungen gefunden werden.

Sicherheitstreppenraum

Ansätze dazu gibt es in verschiedenen Bundesländern und Großstädten. Die Tatsache, dass ein zweiter Rettungsweg dann nicht erforderlich ist, wenn der „erste“ Rettungsweg über einen Sicherheitstreppenraum führt, macht diesen zum bevorzugten Lösungsweg.

Die Herstellung eines solchen Sicherheitstreppenraums bedingt entweder den Einsatz umfangreicher Technik (Modell Hamburg mit Druckbelüftungsanlage) oder einen Wohnflächenverlust (Modell Berlin mit zusätzlicher Schleuse zum Treppenraum). Beides kann bei Neubauten sowohl in der Planung als auch in der Kostenkalkulation rechtzeitig berücksichtigt werden. Schlechter sieht es bei Altbauten aus. Dort gibt es kaum die Möglichkeiten, Bestandsmietern ein Stück Wohnungfür eine zusätzliche Schleuse abzunehmen oder zusätzliche Kellerräume für umfangreiche Technik zu finden. Hier sind intelligente Lösungen gefragt, die nicht nur die Schaffung zusätzlicher Dachwohnungen mit ausreichenden Rettungswegen ermöglichen, sondern zusätzlich die Situation vieler Wohnungsinhaber in Wohnungen ohne zweiten Rettungsweg verbessern.

Neue Lösungen für Bestandsmieter

Solche Lösungen gibt es bereits. Abseits des von der Hansestadt Hamburg beschrittenen Weges, Treppenräume mit einem Differenzdrucksystem (Druckbelüftungsanlage) (siehe Zusatz-Info 2) auszustatten und sie damit als Sicherheitstreppenräume für Gebäude unterhalb der Hochhausgrenze[2] ohne Schleuse zuzulassen, kann ein solcher Sicherheitstreppenraum durch ausgeklügelte alternative technische Maßnahmen ebenso effektiv hergestellt, aber deutlich besser an die jeweils vorgefundene Bestandssituation angepasst werden. Neben Differenzdrucksystemen können dazu Systeme zur effektiven Rauchableitung ebenso herangezogen werden wie Wasserfeinsprüh–Niederdruckverfahren, mit deren Hilfe verrauchte Fluchtwege für flüchtende Personen und angreifende Feuerwehrmänner sicher passierbar werden. Die Anlagen lassen sich vergleichsweise „unsichtbar“ installieren, verbrauchen wenig Platz für den Wasservorrat und richten im Schadensfall einen nur geringen Wasserschaden an. Wichtig, aber durchaus möglich, ist dabei, dass durch diese Anlagen keine übermäßigen Eingriffe in Bestandswohnungen erforderlich sind oder der historische Charakter des Gebäudes bewahrt bleibt.

Fazit

Die Erleichterungen, die der Berliner Gesetzgeber zur Herstellung von Sicherheitstreppenräumen in die Verwaltungsvorschrift zu den Technischen Baubestimmungen aufgenommen hat, haben sich bei Neubauten bewährt. Leider sind davon alternative – insbesondere technische – Maßnahmen zur Verbesserung von Treppenräumen oder der Schaffung von Wohnraum in Altbauten ausgeschlossen. Bei verantwortungsbewusster Planung und technisch einwandfreier Umsetzung sind diese Maßnahmen jedoch grundsätzlich als gleichwertig anzusehen.

[1] Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (VV TB Bln) vom 19. April 2018 (ABl. S. 2095)
[2] Oberkante Fußboden höchstes Geschoss mit Aufenthaltsräumen ≤22 m

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Zusatzinformationen 1

Gemäß Musterbauordnung (MBO)[1] ist ein Sicherheitstreppenraum ein „sicher erreichbare[r] Treppenraum […], in den Feuer und Rauch nicht eindringen können.“ Die neue Bauordnung Berlin (BauO Bln)[2] hat diese Anforderung deutlich vereinfacht: „Ein zweiter Rettungsweg ist nicht erforderlich, wenn die Rettung über einen Sicherheitstreppenraum möglich ist.“ In Fachkreise ist umstritten, ob dieses Streichen der Formulierung zum Sicherheitstreppenraum dem derzeitigen Sicherheitsniveau im Brandschutz entspricht oder zu einer nicht gewollten Reduzierung führt[3].

Zusatzinformationen 2

Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen Amt für Bauordnung und Hochbau – Bauprüfdienst (BPD) 4/2016; Sicherheitstreppenräume in Wohngebäuden: Dieses Dokument beschreibt einen „Treppenraum, in den Feuer und Rauch nicht eindringen können.“ Bei Wohngebäuden unterhalb der Hochhausgrenze kann auf eine Schleuse zwischen dem notwendigen Flur und dem Sicherheitstreppenraum verzichtet werden, wenn dieser mit einer Druckbelüftungsanlage ausgestattet wird.

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[1] MUSTERBAUORDNUNG – MBO – FASSUNG NOVEMBER 2002, ZULETZT GEÄNDERT DURCH BESCHLUSS DER BAUMINISTERKONFERENZ VOM 13.05.2016
[2] Bauordnung für Berlin (BauO Bln) vom 29. September 2005, letzte Änderung vom 09.04.2018
[3] „Berliner Rettungsweglösungen für die verdichtete Innenstadt“ Vortrag von Thomas Meyer, Senatsrat in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt in Berlin, Internationales Symposium „Brandschutz in Wohngebäuden – Baukosten senken, Sicherheit bewahren“

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MULTIMON Industrieanlagen GmbH (Löschdüse)
Rieß & Schwarz Hausverwaltungs-Kanzlei, Österreich (Treppenraum)
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